Jährlich grüßt die Katastrophe: Resistente Keime und Antibiotika im Geflügelfleisch

Hühnerfarm mit Mast-Hühner

2011 verbrauchte die deutsche Landwirtschaft insgesamt 1700 Tonnen Antibiotika. Mehr als 96 Prozent aller Masthühner bekommen Antibiotika.

Zu diesem Ergebnis kam eine Studie, die im Auftrag des Verbrauchschutzministeriums von Nordrhein-Westfalen schon 2011 erstellt wurde. In 83 Prozent der untersuchten Mastdurchgänge kamen die fraglichen Wirkstoffe zum Einsatz. Insgesamt summiert sich die Zahl der so behandelten Tiere damit auf 96,4 Prozent.

Lediglich die Bio-Betriebe haben demnach ganz auf den Antibiotika-Einsatz verzichtet.

Inzwischen werden die Kontrollen des Geflügelfleisches regelmäßig durchgeführt. Dabei werden die bedenklichen Rückstände immer wieder in erheblichen Konzentrationen nachgewiesen. Antibiotika dürfen zwar nicht mehr generell ins Futter gestreut werden, sondern nur noch bei diagnostizierten Krankheiten. Zudem besteht der Verdacht, dass genügend Tierärzte finden, die passende Diagnosen „herbei-attestieren“ und den Geflügelzüchtern damit gewissermaßen einen Freibrief ausstellen.

Auch kann ein Tierarzt bei einem infizierten Tier gleich alle Tiere in derselben Bestallung mitbehandeln. Wenn sich dann 40.000 Hühner ein Dach teilen müssen, kommen immense Wirkstoffmengen zustande.

In Biohöfen sind es nur rund 1.500 der Vögel in einem Stall. Und diese Tiere werden seltener krank, weil die „artgerechtere Tierhaltung“ (wenn man das so nennen darf) zu einem stärkeren Immunsystem führt.

So haben die Tiere auf Demeter-Höfen noch Auslauf im Freien und können, ihrer angeborenen Gewohnheit folgend, in erhöhter Position schlafen. Und die Demeter-Qualität würde ich immer bevorzugen. Und klar: das kostet mehr.

Konventionell gehaltenes Geflügel ist hingegen quasi dauernd krank. Untersuchungen aus 2020 belegen, dass bei diesen Tieren der Anteil des Reserve-Antibiotikums Colistin 40 % aller Antibiotika beträgt.

Colistin ist bei Geflügelmästern und Tierärzten deswegen so beliebt, weil die Tiere nur 4 bis 6 Wochen leben. In dieser Zeitspanne können die Hähnchen durch das Medikament kein Nierenversagen erleiden. Wegen dieser auch beim Menschen möglichen Nebenwirkung ist das Pharmakum in die Reserve eingruppiert worden.

Am liebsten würden es Ärzte gar nicht mehr verordnen, können aber manchmal nicht umhin, wenn kein anderes Antibiotikum mehr hilft. Aus diesem Grund muss es zur Behandlung des Menschen unbedingt erhalten bleiben. Doch die Resistenz-Entwicklung ist gerade bei Colistin enorm begünstigt. Denn Bakterien sind in der Lage, das erworbene Resistenz-Gen in andere Bakterien einzuschleusen.

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Der Zusammenhang zwischen Antibiotika-Missbrauch in der Tier-Produktion und resistenten Krankheitserregern ist indes belegt. Denn im Fleisch der gequälten Tiere können auch resistente Keime nachgewiesen werden.

Seit die Tierärzte nachweisen müssen, wie viele und welche Antibiotika sie gekauft haben, hat sich die Situation bei Schweinefleisch gebessert. Doch bei Hühnern aus Massenhaltung werden nach wie vor Reserve-Antibiotika in horrenden Mengen gefunden, ebenso wie die dadurch entstehenden resistenten Mikroben.

Resistente Keime: Die Gefahr für den Menschen

Die Gefahr für den Menschen resultiert daraus, dass Antibiotika gegen Bakterien nicht mehr helfen. Die Keime werden durch die Antibiotika-Flut resistent, denn die Medikamente akkumulieren sich nicht nur im Fleisch, sondern geraten auch in die Umwelt. Besonders gefährlich sind die multiresistenten Bakterien, die gleich mehreren Antibiotika widerstehen. Dazu zählen beispielsweise der Methillicin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA, manchmal auch Multiresistenter Staphylococcus aureus) und die Multiresistenten Gramnegativen Stäbchenbakterien (MRGN).

Im schlimmsten Fall führt eine Infektion mit diesen Keimen sogar zum Tod. Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts lassen sich jährlich rund 15.000 Sterbefälle auf diese Weise erklären. Doch eine verlässliche Statistik gibt es dazu nicht. Aus der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) kommt eine Schätzung, die 2015 die Zahl der Toten durch Infektionen mit den unempfindlichen Keimen sogar auf 30.000 beziffert.

Jährlich grüßt die Katastrophe: Resistente Keime, Resistenz-Faktoren und Antibiotika im Geflügelfleisch

Längst haben unabhängige Verbraucherschützer das Problem im Visier. Die Experten sammeln permanent Proben aus Discountern und führen umfangreiche Tests durch. 2019 stellte Germanwatch e. V. dabei erneut haarsträubende Ergebnisse fest. So waren 82 % der Geflügelfleisch-Produkte von Penny mit Keimen verseucht, die sogar gegen Reserve-Antibiotika resistent sind.

Bei Aldi waren es 75 %, bei Netto 58 % und bei Lidl immerhin noch 33 %. Parallel dazu fanden die Labore in vielen Hähnchenfleisch-Produkten das Reserve-Antibiotikum Colistin. Das Medikament wurde in einigen Produkten der 3 größten Fleisch-Produzenten nachgewiesen (PHW-Gruppe, Plukon Deutschland und die Sprehe Gruppe; nur bei Rothkötter nicht).

Beim Nachweis der MRGN-Keime fielen Plukon-Produkte am unangenehmsten auf. Rund 75 % der Proben trugen die resistenten Erreger. Bei Rothkötter (1 Probe von 12) und der PHW-Gruppe (2 von 32) waren es deutlich weniger. MRSA fanden die Verbraucherschützer ebenfalls in einigen Proben, und zwar in einer von 32 bei PHW und in 2 von 12 Rothkötter-Artikeln.

In mindestens einem Viertel der Geflügel-Proben der großen Fleisch-Konzerne fanden die Experten Carbapenem-resistente Keime. Dieser Befund ist besonders verwunderlich, weil das Antibiotikum Carbapenem in der Tier-Produktion europaweit untersagt ist.

In der Germanwatch-Studie konnten auch ein Resistenz-Faktor direkt nachgewiesen werden. Viele Geflügel-Produkte enthielten Extended-Spectrum Betalaktamase (ESBL). Das Enzym produzieren Bakterien, die Antibiotika auf Betalaktam-Basis  wirkungslos machen können.

Bund und Länder streiten über die Konsequenzen

Der ehemalige NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel erklärte, die Ergebnisse der Studie von 2011 seien „alarmierend“ und würden bei ihm „Übelkeit“ auslösen. Das Bundesverbrauchschutzministerium müsse sofort handeln und klare Vorschriften für Betriebe erlassen, um den Antibiotika-Einsatz einzudämmen. Die damalige Bundeslandwirtschaftsminsterin Ilse Aigner widersprach dem allerdings.

Zwar sei das Ergebnis der Studie „besorgniserregend“, doch es liege in der Verantwortung der Bundesländer, schärfere Kontrollen durchzuführen. Im Prinzip sah Frau Aigner allerdings die Notwendigkeit ein, die Antibiotika-Belastungen in Geflügelfleisch zu reduzieren. Doch ist fraglich, wie stärkere Kontrollen überhaupt etwas nutzen sollen, solange die Gabe von Antibiotika ins Futter grundsätzlich noch legal ist. Zumindest die Reserveantibiotika müssten sofort verboten werden, forderte Reinhild Benning von Germanwatch im Frühjahr 2019.

Diese letzten Mittel für sonst aussichtslose Fälle soll der Arzt selbst beim Menschen nur im Notfall anwenden. In der Tier-Produktion werden Reserveantibiotika hingegen prophylaktisch eingesetzt. Dies zeigt, wie sehr die Absichtserklärungen der Politiker von den realen Maßnahmen abweichen. Auch Julia Klöckner macht darin leider keine Ausnahme. Der Dauer-Alarm aus den Reihen von Internisten und Intensiv-Medizinern verhallt ungehört. Und das seit fast 2 Jahrzehnten!

Verbände bekunden Handlungsbereitschaft – mehr aber auch nicht

Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) wollen angeblich dagegen aktiv werden und den Einsatz der Medikamente aus Verantwortungsbewusstsein „gegenüber den Tieren“ deutlich reduzieren. Rechtlich dürften Antibiotika ohnehin nicht als „Gesundheitsdoping“ eingesetzt werden, so Remmel, sondern nur dann, wenn ein Tier ernstlich erkrankt sei.

In der Praxis ist diese Maßgabe jedoch ein stumpfes Schwert. Denn sonst könnten wohl kaum seit Jahren immer wieder Antibiotika im Hähnchenfleisch nachgewiesen werden.  Wie kann das sein, wenn führende Landwirte die Medikamente drastisch reduzieren wollen?

Der ZDG hat Anfang 2020 dann die Absicht erklärt, bis 2023 zumindest auf Colistin verzichten zu wollen. Dies geschah wohl aufgrund der Befürchtung, das Medikament könne womöglich ganz für die Landwirtschaft verboten werden. Doch solange Großschlachtereien und riesige Mastbetriebe auch noch Subventionen erhalten, werden die Antibiotika nicht so schnell aus Geflügelfleisch verbannt werden können.

Die Politik müsste das Sterben kleinerer Höfe mit weniger Tieren und kleineren Ställen verhindern. Doch die Stärkung des deutschen Fleisch-Exportes ist wohl wichtiger als artgerechte und nachhaltige Tiermast. Der 2008 ins Leben gerufene One-Health-Ansatz sollte die Krise eigentlich wirksam eindämmen. Doch die Koordination von Human- und Tiermedizin hat in der Geflügelmast bisher keinen Erfolg gebracht. Da fragt man sich, ob solche Maßnahmen auch wirklich ernst gemeint sind.

Unternehmerische Verantwortung müsste hier darin bestehen, die Pharmaka gar nicht mehr einzusetzen. Die Alternativen heißen dabei: billiges Fleisch und schneller Profit oder Gesundheit? Lobby, Politik und auch der Verbraucher scheinen sich in der Entscheidung einig zu sein…

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Dieser Beitrag wurde im März 2012 erstellt und letztmalig am 21.2.2020 aktualisiert.

René Gräber

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5 Kommentare Kommentar hinzufügen

  1. Avatar

    Es gibt schon noch diverse Möglichkeiten sich antibiotikaresistenter Keime zu entledigen! Ja selbst die mittlerweile immer häufiger diagnostizierten medikamentensresistenten Pilze lassen sich gut beseitigen . . . nur eben nicht mit den Mitteln der Pharmaindustrie/Schulmedizin.
    Das natürlich jeder angehalten ist, im Interesse seiner eigenen Gesundheit, sowohl deutlich aufmerksamer in Bezug auf Konsum, als auch quasi permanent Kompensationsmassnahmen(wegen der allgegenwärtigen Gifteinleitungen) zu praktizieren, gehört mittlerweile zu jeder Ernährung.
    Konsequenz und Kontinuität zahlen sich aus. Der Gewinn heißt Gesundheit.

  2. Avatar
    Erwin Schifferdecker

    3. Mai 2019 um 12:16

    Erwin
    03.Mai 2019

    Hallo Herr Rene Gräber,
    eine Frechheit das überhaupt Bauern beliefert werden mit Antibiotika egal wo Sie es her bekommen, es kommt von den Pharmaindustrien, tolle Abnehmer! Die Menschen verzehrten es und werden Krank davon, das man da nicht einchreiten kann. In der heutigen Zeit das sind keine Bauern mehr mit 40.Kühen wie früher wo jede Kuh ihren Namen hatte, heute 500 – 600 Kühe nur noch mit Nummern, und nicht genug Weide, und werden künstlich ernährt, geben Sie nicht mehr genug Milch ab zum Schlachter. Der Bauer sieht nur noch seinen Profit und nicht die Tiere, die Ernährung der Menschen ist stark gefährdet! Wie der Kollege Michaeel schon schrieb, die Pilze lassen sich gut entfernen, aber nicht mit Mitteln der Pharma u. Schulmedizin, ob bei Tieren oder Menschen, da muß dringend eingegriffen werden!

  3. Avatar

    Pescetarier sein ist etwas Feines und sehr Gesundes.

  4. Avatar

    Lieber Herr Rene Gräber, sie sind endlich mal einer die die Wahrheit in der Öffentlichkeit sagt, was den Ärzten und den Pharmaindustrien nicht gefällt.
    Die Ostfriesen sagen, die bekommen alle Kopfgeld für jeden Patienten!
    Die Ärzte heilen nicht, machen mit ihrer Chemie noch Kränker im Sinne der Pharmaindustrien. Für die kleinste Erkältung wird sofort 400 mg Antibiotika verschrieben wie mir 2015 in Ostfriesland im Urlaub wo ich danach eine Woche im Krankenhaus lag, der bekam auch Kopfgeld. Diese Ärzte verschreiben sofort diese Chemie Bomben, wie Antibiotika – Ibuprofen – Novalgin etc geht haufenweise über den Schreibtisch bei Ärzten. Kennen nur noch den Computer – Maus – Tastatur und Drucker, von Untersuchungen keine Spur mehr, das ganze Gesundheitssystem ist kaputt, wo die Regierung mal einschreiten müsste!

  5. Avatar
    Andrea Hammerschmidt

    8. Mai 2019 um 11:36

    Susann, aber auch Fische werden mit Antibiotika behandelt…..

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