Der Glaube an die Apparatemedizin und der Verlust der Selbstwahrnehmung

René GräberMedizinische Apparaturen in der Medizin gelten als ein weiterer „Durchbruch“ oder „Segen“ der Schulmedizin. In vielen Fällen ist dieser Anspruch berechtigt, vor allem, wenn es sich um die Notfallmedizin handelt.

Bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen jedoch scheinen medizinische Gerätschaften nicht die Rolle zu spielen, die man ihnen aus verkaufstechnischen Gründen gerne zuweisen würde. Würde es ein Gerät geben, dass Diabetes, Hochdruck etc. symptomatisch behandeln könnte, dann hätten die Tablettenhersteller einen neuen Konkurrenten. Ein solches Gerät gibt es aber (noch) nicht. Dieses Manko haben die Gerätehersteller versucht zu kompensieren, indem sie die „Prophylaxe“ gerätetechnisch angehen.

Die sogenannte „Selbstvermessung“ für die Selbstoptimierung der eigenen Gesundheit ist ein neuer Boom, der Gesundheit und Lebensqualität steigern und garantieren soll. Pulszähler in Armbändern und Gurten, Spezialbrillen, Mehrzweckuhren, spezielle Laufschuhe, Textilien mit eingebauten Sensoren und vieles mehr, die man teilweise noch an Smartuhren anschließen kann.

Diese speziellen Aktivitäten spielen sich natürlich nicht in den heiligen Mauern der Schulmedizin ab, sondern können von jedem, der das nötige Kleingeld dafür übrig hat, selbst durchgeführt werden. Sie zeigen jedoch, dass der Glaube an die schulmedizinische Gerätemedizin stark zu sein scheint. Denn die meisten Selbstvermessungsgadgets machen im Prinzip das, was der gute Onkel Doktor in seiner Praxis diagnostisch auch mit seinen Patienten macht: Sie messen Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzucker und so weiter.

Wer seiner diagnostischen Uhr diesen Glauben schenkt und mit der Ermittlung von diagnostisch relevanten Werten unter Alltagsbedingungen (nicht gerade ein Nachteil im Vergleich zur Momentan-Diagnose im Behandlungszimmer des Arztes) sein „Seelenheil“ zu finden glaubt, dem sei dieser Glaube gegönnt und empfohlen. Denn diese Form der permanenten Selbstdiagnose richtet keinen Schaden an und kann, wenn richtig durchgeführt, in der Tat wertvolle Hinweise liefern.

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Aber mehr kann die private „Diagnostik“ nicht liefern. In der Medizin sind die Ansprüche natürlich deutlich höher angesetzt. Hier geht es auch nicht um Prävention, sondern um die Erkennung von Erkrankungen. Und da gibt es eine Reihe von Apparaturen, die einmal entstandene Schäden sichtbar machen können – oft auch, obwohl der Patient sich subjektiv ohne Beschwerden durchaus wohl fühlt. Da kann es sein, dass man als Patient gesund zu einer Vorsorgeuntersuchung geht und diese als schwerkranken Fall wieder verlässt. Und das oft zu Unrecht:

Dies sind einige Beispiele, wo die Gerätemedizin und der Glaube an deren „Allwissenheit“ in Sachen Diagnose zu einiger Verwirrung und möglicherweise auch Unheil geführt haben.

Noch mehr Glaube und noch mehr Unheil?

Rückenschmerzen sind auch so eine „beliebte“ Indikation, wo die Gerätemedizin gerne eingesetzt wird. Sehr häufig sind Rückenschmerzen aber keine „Erkrankung“ im eigentlichen Sinne, sondern ein Notsignal für andere unphysiologische Ereignisse. Und solche Zusammenhänge lassen sich nicht mit den besten Geräten darstellen. So können Rückenschmerzen auftreten, die ihren Ursprung überhaupt nicht im Rücken haben, sondern zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse betreffen (Pankreatitis, Pankreaskrebs etc.). Auch andere Krebserkrankungen können sich durch Rückenschmerzen als „Vorboten“ zu erkennen geben. Zu weiteren möglichen Ursachen von Rückenschmerzen siehe meinen Beitrag „Rückenschmerzen“.

Wenn ein Patient mit Rückenschmerzen in eine schulmedizinische Praxis kommt, dann wird natürlich erst einmal der Rücken untersucht und versucht, dort die Ursache für die Schmerzen zu finden. Aus Sicht der Gerätemedizin kommen dann CT und/oder MRT zum Einsatz. Diese Verfahren „fotografieren“ das Innere des Rückens und versuchen herauszufinden, ob hier Veränderungen zu beobachten sind, die die Schmerzen erklären.

Ein solches Vorgehen ist immer dann von Erfolg gekrönt, wenn es diese Veränderungen wirklich geben sollte. Tumore, die auf die Wirbelsäule drücken, zum Beispiel lassen sich zuverlässig darstellen. Knochenbrüche, bestimmte Formen von Verschleißerscheinungen, Osteoporose und so weiter ebenso. Diese Ursachen jedoch sind keine vorübergehenden Erscheinungen. Sie bestehen beziehungsweise bestanden über längere Zeiträume und lassen sich deshalb gut von bildgebenden Verfahren darstellen.

Für die sogenannten „idiopathischen“ Rückenschmerzen gilt dies nicht. Diese Rückenschmerzen werden deshalb „idiopathisch“ genannt, weil der Arzt keine erkennbare Ursache ermitteln kann, auch nicht mit Hilfe des Einsatzes der Gerätemedizin. Warum kann der Arzt nichts feststellen? Antwort: Weil die Ursache sich nicht fotografisch einfangen lässt. Zu rund 90 Prozent der Fälle kann man auf den Einsatz von CT und MRT verzichten.

Denn Rückenschmerzen können bei bestimmten Körperhaltungen auftreten, was den Geräten verborgen bleibt. Die treten auf und gehen wieder. Auch hier ist der medizinische „Fotoapparat“ überfordert, den Grund für das Auf- und Abtreten der Schmerzen darzustellen. Und die meisten Rückenschmerzen treten eher bei Bewegungen auf als in Ruhe, die unbedingt eingehalten werden muss, wenn man unter eine CT- oder MRT-Maschine gelegt wird.

Am besten lässt sich dies an einem anderen medizinischen Beispiel erklären. Es gibt keinen einzigen Menschen auf der Welt, der einen konstant gleichen Blutdruck hat (nur Tote haben einen konstanten Blutdruck von 0/0). Der Blutdruck passt sich im Wesentlichen der augenblicklichen Belastungssituation an. Muss der Mensch rennen, dann steigt auch der Blutdruck, um den Versorgungsansprüchen der Organe gerecht zu werden. Ruht der Mensch, wird weniger Energie verbraucht, was auch eine geringere Versorgung der Organe erfordert – der Blutdruck wird hier deutlich geringer sein als in der Belastungssituation.

Daher sind Blutdruckmessungen immer nur Momentaufnahmen, die in Relation gesetzt werden müssen zur augenblicklichen Situation als die Messung erfolgte. Andernfalls werden Blutdruckwerte von 200/90 bei Belastung als behandlungsbedürftig eingestuft, obwohl sie in diesem Fall physiologisch sinnvoll und notwendig sind. Solche Blutdruckwerte in Ruhe dagegen sind in der Tat mehr als „verdächtig“.

Bei den Rückenschmerzen verhält es sich im Wesentlichen ähnlich. Der Rücken jedes Menschen verändert sich im Tagesprofil, was sich auch in MRTs nachweisen lässt. Aufgrund solcher MRTs weiß man heute, dass circa 30 Prozent der Bandscheibenvorfälle ohne erkennbare Schmerzen existieren.Oder mit anderen Worten: Ohne ein MRT wüssten die stolzen Besitzer dieser Vorfälle überhaupt nicht, dass sie einen Schaden haben.

Aber das Bild gibt nicht zu erkennen, warum es sich hier um eine schmerzfreie Schädigung handelt. Laut MRT müssten diese Patienten unter erheblichen Schmerzen leiden, was aber nicht der Fall ist. Und weil die Geräte nicht lügen, kommen die Ärzte nicht selten zu dem Ergebnis, dass behandelt werden muss, gleichgültig ob der Patient Schmerzen hat oder nicht.

Und weil viele Formen der Rückenschmerzen eher in der Bewegung auftreten, die Diagnosegeräte aber den Patienten nur in Ruhe „ablichten“ können, kann man auch keine Aufschlüsse über die Ursachen für solche Rückenschmerzen erwarten. Was hier eher zählt als die anscheinend evidenzbasierte Wissenschaft der Schulmedizin von objektiven Gegebenheiten ist die vollkommen unwissenschaftliche Subjektivität der Patienten.

Denn der kennt seinen Körper besser als jedes MRT (und der Arzt). Der Patient weiß, wann und wie stark sein Rücken schmerzt. Er kennt die Situationen und Bewegungen, die er vermeiden muss, um somit Schmerzen zu vermeiden. Diese Beobachtungen von Seiten der Patienten haben diagnostisch einen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit höheren Wert als MRT und CT, die diese Informationen nicht liefern können.

Wer ist der Schuldige?

Es wäre „ungerecht“, den „Allmachtsglauben“ an die Gerätemedizin nur den Medizinern anzudichten. Es gibt genügend Patienten, die diesen Glauben teilen und in der Praxis für sich vehement einfordern. Die Psychotherapeutin Barbara Sperner-Unterweger vom psycho-onkologischen Team der Medizin-Uni Innsbruck bestätigt, dass viele Patienten sehr große Hoffnungen in die Gerätemedizin setzen, aber manchmal auch mit Erwartungen, die nicht realistisch sind.<</p>

Auf der anderen Seite wird speziell bei dem Problem „Rückenschmerzen“ jetzt auch in der Schulmedizin die Bremse angezogen. Man scheint eingesehen zu haben, dass die Geräte doch nicht allmächtig sind und durchleuchten nur in bestimmten Situationen sinnvoll ist. So wurde im Jahr 2010 von der Bundesärztekammer, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den entsprechenden Fachkreisen eine „Nationale Versorgungsleitline Kreuzschmerz“ veröffentlicht.

http://www.leitlinien.de/nvl/kreuzschmerz.

Eine Zusammenfassung für den Hausarzt gibt es hier: http://www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de/en/images/2011_Chenot_VLL_Kreuzschmerzen.pdf

Prof. Froböse betrachtet eine gute Anamnese (Krankengeschichte) als ein wichtiger Faktor für eine gute Behandlung. Der Arzt sollte nach seiner Meinung eine ausführliche Befragung des Patienten vorne anstellen. Dabei sollte er nach den Symptomen fragen und um welche Form von Schmerz es sich handelt. Weitere Fragen sollten Vorerkrankungen, Tagesablauf und Gewohnheiten beim Patienten und die aktuelle Lebenssituation abklären.

Für ihn sind die seelischen Aspekte nicht selten wesentlich mit entscheidend bei der Entstehung von Rückenschmerzen. Ich hatte dies in ähnlicher Weise diskutiert in meinem Beitrag „Bandscheiben: Bandscheibenvorfall und Bandscheibenvorwölbung“ unter dem Kapitel „Sprache der Symptome“. Hier scheinen psychosomatische Vorgänge nicht selten eine bedeutsame Rolle zu spielen.

Und von daher bezeichnet Prof. Froböse die Selbstwahrnehmung und die daraus folgenden Schilderungen der Patienten als „viel wertvoller als eine Aufnahme im MRT“. Auch für ihn kommen MRT und CT erst dann zum Einsatz, wenn Rückenbeschwerden über drei Monate anhalten und drohen, chronisch zu werden. Ansonsten sind gegebenenfalls Medikamente für den Anfang Mittel der Wahl und Bewegung, wie Krankengymnastik. Laut seinen Erfahrungen reicht dies oft, um Kreuzschmerzen im Verlauf von vier bis sechs Wochen aus dem Leben der Patienten zu verbannen.

Fazit

Ein Silberstreifen leuchtet am orthopädischen Horizont. Es gibt ernsthafte Bemühungen, den Allmachtsglauben an die Apparatemedizin zu durchbrechen, zumindest in Bezug auf Rückenbeschwerden. Und es gibt dazu sogar schon eine Leitlinie, die sehr sinnvoll zu sein scheint. Das Ganze ist aber noch „ausbaufähig“ um weitere Komponenten in Sachen Diagnostik und Therapie. Aber immerhin ist man inzwischen weg von den alten Empfehlungen, die Patienten in einen Apparat zu stecken, der dem Arzt sagt, oder auch nicht, was dem Patienten fehlt und dann die Rückensymptome mit Spritzen und Chemie zu behandeln.

Dieser Artikel wurde am 2.5.2019 erstellt.

 

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